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Taiwan Today

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Die schwierige Arbeit der Arbeitsbeschaffung

01.09.2010
Angebot und Nachfrage. Im Juli 2009 organisierte der CLA diese Jobmesse im zentraltaiwanischen Taichung, bei der College-Absolventen Angebote von Unternehmen prüfen konnten. (Foto: Central News Agency)
Für Wang Ju-hsuan (王如玄), Ministerin des Rates für Arbeitnehmerangelegenheiten (Council of Labor Affairs, CLA), hat die Zahl „5“ wie in 5 Prozent eine allumfassende Bedeutung bekommen. Kurz nachdem Ma Ying-jeou (馬英九), Staatspräsident der Republik China, das laufende Jahr Ende Februar zum Jahr der Arbeitsbeschaffung erklärte, betonte Premierminister Wu Den-yih (吳敦義) die Entschlossenheit der Regierung, die Arbeitslosigkeit zu vermindern, indem er im März ankündigte, er werde zurücktreten, sollte Taiwans Arbeitslosenquote bis zum Ende des Jahres nicht unter 5 Prozent sinken. Da Wang der Behörde vorsteht, welche für die Schaffung und Bewahrung von Jobmöglichkeiten zuständig ist, geht der Druck der Aufgabe, das Ziel des Premierministers zu erreichen, direkt auf ihre Schultern über. „Bei dieser Mission unternehme ich alle erdenklichen Anstrengungen“, versicherte sie auf die Frage hin, ob es möglich sei, die Vorgabe der 5 Prozent zu erfüllen.

Die Regierung verfolgt bei der Förderung von Taiwans Arbeitsmarkt eine Doppelstrategie. Der erste Ansatz konzentriert sich auf Bereitstellung von Schulung, Beihilfen, Darlehen, Jobmessen und kurzfristige Stellen, der zweite Ansatz umfasst die Umstrukturierung von Taiwans Wirtschaft durch Entwicklung eines Umfeldes, das günstig für Investitionen und das Aufkommen von Langzeitbeschäftigung ist.

Angesichts der Verantwortung auf ihren Schultern wird Wang es sicherlich als Ermutigung empfunden haben, als Taiwans Arbeitslosenquote im Mai dieses Jahres auf 5,16 Prozent zurückging, während sie noch im August 2009 während der jüngsten globalen Rezession eine Rekordhöhe von 6,13 Prozent erreicht hatte. Die Prozentsätze stehen für 567 000 Erwerbslose im Mai 2010 und 627 000 im August 2009, mit anderen Worten, in neun Monaten hat die Wirtschaft 105 000 neue Jobs geschaffen.

Die Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt des Inlandes sind nach Wangs Ansicht zum Teil auf die allmähliche Erholung der Weltwirtschaft zurückzuführen. In Taiwan kann man diese Verbesserungen an der bemerkenswerten Zunahme der Exporte ablesen, die im ersten Quartal dieses Jahres um 43,74 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode in die Höhe schnellten. Entsprechend verbesserte sich Taiwans exportorientierte Gesamtwirtschaft im gleichen Zeitraum insgesamt um 13,27 Prozent.

Während Fortschritte der Weltwirtschaft zweifellos hilfreich waren, haben die vom CLA ergriffenen Maßnahmen, Jobs zu schaffen und zu schützen, gleichfalls eine wesentliche Rolle gespielt. Alles in allem hat die Behörde ein Gesamtbudget von 16,6 Milliarden NT$ (404,8 Millionen Euro) für mehrere Beschäftigungsprojekte bereitgestellt, die in Taiwan dieses Jahr 137 000 Stellen schaffen sollen. Laut CLA sind bis zum 14. Mai 2010 bereits 51 000 neue Stellen besetzt worden.

Von Februar bis Dezember 2009 führte der CLA ein Kurzzeitprogramm zur Verbesserung beruflicher Fertigkeiten mit der Bezeichnung „Short-Term Skill Plus Program“ durch, das Firmen dazu ermuntern sollte, beurlaubte Arbeitskräfte zu behalten und umzuschulen. Im Rahmen des Programms bot die Regierung kleineren Betrieben einmalige Finanzhilfen bis zu 950 000 NT$ (23 170 Euro), wogegen größere Unternehmen bis zu 1,9 Millionen NT$ (43 341 Euro) bekommen konnten. Dafür mussten die Firmen sich verpflichten, beurlaubten Arbeitskräften Taiwans Mindestlohn in Höhe von 17 280 NT$ (421 Euro) im Monat zu zahlen und ihnen dabei fortgeschrittene Schulungskurse zu erteilen, beispielsweise in Gebieten wie Marketing oder Produktionsmanagement. Zugleich konnten durch das Programm beurlaubte Arbeitnehmer direkt einzelne Finanzspritzen bis zu 10 000 NT$ (243 Euro) pro Monat erhalten, wenn sie sich zu den fortgeschrittenen Schulungskursen anmeldeten.

Solarzellen auf dem Ausstellungsgelände der bevorstehenden internationalen Gartenschau Taipeh 2010. Im Zuge der Umgestaltung der Wirtschaft wird der Bereich grüne Energie von der Regierung besonders gefördert. (Foto: Central News Agency)

Das CLA-Projekt für die Weiterbeschäftigung und Umschulung von Mitarbeitern verlockte schließlich über 700 Firmen zur Teilnahme. Dank des Programms konnten beurlaubte Angestellte sich über Wasser halten, bis die Wirtschaft sich erholte, ohne dass eine langfristige Abhängigkeit geschaffen worden wäre. Nach Angaben des CLA erreichte die Zahl der Arbeitnehmer auf Mindestlohn-Urlaub im Februar 2009 einen Höchststand von 239 000, sank aber bis April dieses Jahres auf 1486, ein Ergebnis des wirtschaftlichen Aufwärtstrends, wodurch Arbeitnehmer an ihre regulären Jobs zurückkehren konnten.

Im Bereich der kurzfristigen Schaffung von Arbeitsplätzen bietet der CLA Lokalverwaltungen weiterhin bis zu sechs Monate lang Zuschüsse von 17 600 NT$ (429 Euro) pro Arbeitskraft und Monat für jede Stelle, die sie in bestimmten Feldern wie Fremdenverkehr und Umweltschutz schaffen. Unabhängig davon verpflichtet ein anderes Programm Behörden der Zentralregierung, Projekte für die Einstellung neuer Mitarbeiter in Positionen vorzuschlagen, die „dem öffentlichen Interesse dienen“. Der CLA bietet Arbeitskräften, die solche Tätigkeiten verrichten, eine tägliche Beihilfe von 800 bis 1000 NT$ (19-24 Euro) für maximal sechs Monate. Ein Programm in Südtaiwan etwa stellt Personen ein, um Anwohner über die Gefahren des Dengue-Fiebers aufzuklären, und es werden Arbeiter dafür bezahlt, Stellen zu reinigen, die günstig zum Brüten der Moskitos sind, welche die Krankheit verbreiten.

Ein anderes Kurzprogramm zielt auf Arbeitslose in Gegenden ab, die im August 2009 vom Taifun Morakot verwüstet worden waren. Der Wirbelsturm hatte damals Hunderte von Menschen in den Tod gerissen und riesige Sachschäden angerichtet. Neun Tage nach der Heimsuchung startete der CLA ein einmonatiges Programm, in dem Arbeiter für Tätigkeiten bezahlt wurden wie Aufräumen ihrer Heimatorte.

Gemeindebüros im Katastrophengebiet wurden nach dem Taifun angewiesen, Vorschläge für die Einstellung von Anwohnern vorzulegen, welche die Aufgabe des Wiederaufbaus ihrer betroffenen Gemeinden ausführen sollten. Das Programm läuft noch, und es werden bis Ende des Jahres weiter neue Arbeitskräfte eingestellt. Mithilfe von CLA-Zuschüssen kann jeder Gemeinde-Aufbauarbeiter für bis zu ein Beschäftigungsjahr pro Tag 800 NT$ (19 Euro) bekommen. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr gut 15 000 Personen von den im Rahmen des Programms geschaffenen Jobs profitieren werden.

Ermutigung für ältere Arbeitnehmer

Der CLA arbeitet zudem daran, Arbeitsplätze zu schaffen, indem die Privatwirtschaft ermuntert wird, ältere Arbeitnehmer zwischen 45 und 64 Jahren einzustellen. Im Rahmen jenes Programms haben Unternehmen für jeden Job, der an neu beschäftigte Arbeitskräfte dieser Altersgruppe vergeben wird, in den ersten drei Monaten des Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf einen monatlichen Zuschuss von 17 280 NT$ (421 Euro), für die neun Monate danach sinkt der Zuschuss auf 10 000 NT$ (243 Euro) und endet nach einem vollen Jahr. Das Programm will Langzeitjobs schaffen, erläutert Wang vom CLA und ergänzt: „Firmen können sie nicht nach Belieben rausschmeißen, da sie sich für diese Stellen an die Regeln des Gesetzes über Arbeitnehmerstandards halten müssen.“

Im Oktober 2008 startete der CLA überdies ein Projekt, Darlehen an von Frauen betriebene kleine und mittlere Unternehmen von 500 000 NT$ (12 195 Euro) auf 1 Million NT$ (24 390 Euro) zu erhöhen, gleichzeitig wurde der Zinssatz von 2,83 Prozent auf die aktuellen 1,67 Prozent gesenkt. Fünf Monate später wurde ein zuvor separates Darlehensprogramm, das im Jahre 2003 entstanden war und sich an Personen zwischen 45 und 65 Jahre wendet, mit dem Projekt der von Frauen geführten kleinen und mittleren Unternehmen kombiniert, was es älteren Menschen, die sich selbständig machen wollen, gestattet, Anträge auf die niedrig verzinsten Darlehen zu stellen. Von Mai 2008 bis Mai dieses Jahres vergab das Projekt 1273 Darlehen an kleine und mittlere Unternehmen im Besitz von Frauen und ältere Unternehmer.

Im vergangenen Jahr veranstaltete die Stadtverwaltung Taipeh eine Schulung, die Arbeitssuchenden im Bereich der Gastronomie helfen sollte. (Foto: Central News Agency)

Darüber hinaus begannen Firmen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung seit Jahresanfang, mehr Arbeitskräfte einzustellen, ein Ablauf, den der CLA beschleunigen will, indem bis zum Jahresende 10 große Jobmessen im ganzen Land stattfinden sollen. Die erste dieser Messen fand im März in der südtaiwanischen Hafenmetropole Kaohsiung statt und verzeichnete die Teilnahme von 107 Firmen, die 2638 Stellen anboten. Etwa 11 200 Arbeitssuchende kamen zu der Messe, und bis Mitte Mai waren 1467 von ihnen, also einer von 7,7 Arbeitssuchenden, von beteiligten Unternehmen eingestellt worden.

Was die zweite Schiene der Doppelstrategie der Regierung anbelangt, die Arbeitslosigkeit zu senken, nämlich die Umstrukturierung von Taiwans Wirtschaft, so drängt die Regierung seit dem Frühling des Jahres 2009 auf die Entwicklung von sechs aufstrebenden Wirtschaftssektoren, namentlich grüne Energie, Fremdenverkehr, Biotechnologie, Medizin und Gesundheitspflege, anspruchsvolle Landwirtschaft sowie die kulturellen und kreativen Gewerbe. Im März dieses Jahres erweiterte Premierminister Wu die Liste um vier zusätzliche Gewerbe und erklärte, die Regierung plane die Bereitstellung von 15 Milliarden NT$ (365,8 Millionen Euro) über die kommenden sechs Jahre, um Investitionen in Cloud Computing, Elektrofahrzeuge, grüne Architektur und Kommerzialisierung von Patenten zu fördern.

Nach den Worten von San Gee, stellvertretender Minister des Rates für Wirtschaftsplanung und Entwicklung (Council for Economic Planning and Development, CEPD), werden die staatlichen Investitionen in die neuen Bereiche nebenbei auch Verbesserungen bei Beschäftigung nach sich ziehen. „Die Sektoren sind allesamt wichtig für Taiwans langfristige Entwicklung, doch manche von ihnen, beispielsweise Fremdenverkehr, können in einem kürzeren Zeitraum als andere Sektoren wie Biotechnologie eine große Zahl von Jobchancen schaffen“, analysiert er.

Laut San erreichen öffentliche Investitionen in Taiwan normalerweise ein jährliches Niveau von 200 bis 300 Milliarden NT$ (4,87-7,31 Milliarden Euro). Die Verabschiedung des Gesetzes über industrielle Innovation durch den Legislativ-Yuan (立法院) — also Taiwans Parlament — im April dieses Jahres schuf eine gesetzliche Grundlage für die Investitionspläne der Regierung. Unter anderem wird die Regierung durch das Gesetz aufgefordert, einen nationalen Entwicklungsfonds zu schaffen, der für die von der Regierung anvisierten aufstrebenden Gewerbe bestimmt ist. Das Gesetz gestattet es zudem einer Firma, 15 Prozent ihrer Investitionen in Forschung und Entwicklung von der Gewerbesteuer abzusetzen. Dieser Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung soll Firmen dabei helfen, neue Produkte und geschäftliche Sektoren zu entwickeln, woraus wiederum zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können. Eine Änderung des Einkommenssteuergesetzes, Ende Mai dieses Jahres verabschiedet, senkt überdies die gewerbliche Einkommenssteuer von 20 auf 17 Prozent, so dass Unternehmen mehr Mittel für Investitionen sowie Forschung und Entwicklung zur Verfügung haben.

Daneben wird erwartet, dass das unlängst von der Regierung unterzeichnete Rahmenabkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit (Economic Cooperation Framework Agreement, ECFA), welches das Ziel hat, Zölle für eine Reihe von Waren, die zwischen Taiwan und Festlandchina gehandelt werden, zu vermindern oder ganz zu streichen, Auswirkungen auf Geschäfte haben wird, die bei mehr Konkurrenz gefährdeter sind. Um diese Auswirkungen zu verringern, plant die Regierung 95 Milliarden NT$ (2,317 Milliarden Euro) im Haushalt ein, um in erster Linie betroffenen Unternehmen zu helfen, in den Betrieb und Mitarbeiterschulung zu investieren. Diese Maßnahme entspricht den 100 Milliarden NT$ (2,439 Milliarden Euro) in einem Fonds der Regierung, der nach Taiwans Aufnahme in die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) im Jahre 2002 geschaffen worden war. Damals wurde ein Teil des Fonds dafür verwendet, Verkaufskanäle und die Werbung für landwirtschaftliche Produkte zu verbessern, als die Einfuhren von Naturprodukten anstiegen.

Außerdem spielen private Investitionen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen eine gewichtige Rolle, indem sie die Wirtschaft allgemein voranbringen und dadurch Jobs erzeugen. San Gee vom CEPD meint: „Es sind immer private Investitionen, die Taiwans Wirtschaft in Gang halten.“ Normalerweise werden nach seiner Auskunft in Taiwan jedes Jahr 1,6 Billionen NT$ (39 Milliarden Euro) privat investiert, doch im Jahre 2009 sank der Wert auf 1,2 Billionen NT$ (29,26 Milliarden Euro). Im ersten Quartal dieses Jahres schnellten private Investitionen laut der Generaldirektion für Budget, Rechnungswesen und Statistik (Directorate-General of Budget, Accounting and Statistics, DGBAS) verglichen mit dem Vorjahreszeitraum aber wieder um 31,11 Prozent in die Höhe, und San Gee bemerkt, die Chancen stünden gut, dass private Investitionen bis zum Jahresende das Niveau wie vor Beginn der Weltwirtschaftskrise erreichten.

Teilnehmer an einem CLA-Darlehensprojekt für weibliche Unternehmer. (Foto: Central News Agency)

Zwar unternimmt die Regierung konzertierte Anstrengungen gegen die Arbeitslosigkeit durch Finanzierung von zeitlich begrenzten Programmen und Umstrukturierung der Wirtschaft, doch lassen sich auch Stimmen vernehmen, die bei dem Ansatz der Regierung zu Vorsicht mahnen. Hsieh Tsuan-chih, Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes Taiwan, betrachtet die Art der geschaffenen Arbeitsplätze mit Zweifeln. „In Notzeiten gibt es einen Bedarf für kurzfristige Programme, um Jobs zu fördern, doch die Regierung gibt zu ihrer Finanzierung Steuergelder aus“, enthüllt er. „Zu große Ausgaben für kurzfristige Stellen werden andere Dinge aus dem Haushalt verdrängen.“ Damit meint Hsieh Haushaltsposten für die Schaffung stabiler Langzeitbeschäftigung.

Hsieh glaubt überdies, dass die Regierung noch einmal darüber nachdenken sollte, ob es notwendig sei, Branchen zu fördern, die kapitalintensiv und in der Lage seien, hohen Produktionswert zu erzeugen, aber nicht viele Arbeitskräfte bräuchten. Ein Beispiel dafür ist Taiwans Halbleiterindustrie, die sich hochgradig automatisierter Produktionsstätten bedient. „Diese Gewerbe könnten eindrucksvolle Zahlen beim Bruttoinlandsprodukt schaffen, sind aber für neue Jobs nicht so hilfreich“, tadelt er. „Wir sollten auf Arbeitskräften beruhende hochwertige Branchen entwickeln oder solche, die fähig sind, soziale Bedürfnisse wie im Freizeit- und Gesundheitsbereich zu erfüllen.“ Hsieh ist außerdem nicht sicher, ob Taiwans traditionelle Herstellungssektoren sich schnell genug an den unter ECFA immer freieren Handel über die Taiwanstraße anpassen werden, und daher gezwungen sein könnten, im großen Stil Arbeiter zu entlassen.

Cheng Chih-yu, Professor am Graduierteninstitut für Arbeitnehmerforschung der National Chengchi University (NCCU) in Taipeh, warnt gleichfalls davor, dass zeitlich befristete Jobs den Menschen zwar helfen könnten, schwierige Zeiten zu überbrücken, jedoch alles andere als eine Langzeitlösung darstellen. „Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sollte die Regierung sich nicht für lange Zeit auf sie verlassen“, rät der Gelehrte und bemerkt, die Regierung habe erstmals mit der Schaffung kurzfristiger Jobs ungefähr zu der Zeit begonnen, als im Jahr 2000 die Dotcom-Seifenblase platzte. Andererseits hätten Regierungen rund um den Erdball die Arbeitslosigkeit mit kurzfristigen Jobs angegangen, als die Rezession Ende 2008 ernsthaft zuzuschlagen begann, also sei Taiwans Reaktion nicht außergewöhnlich gewesen.

Zur Schaffung von Langzeitjobs muss die Regierung laut Cheng auch Trends auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen und bei der Umsetzung ihrer Politik ihre Ziele auf diese Trends stützen. Beispielsweise bringt Taiwans Bildungssystem weiterhin Lehrer in großer Zahl hervor, obwohl Taiwans Geburtenrate seit Jahren rückläufig ist, hebt er hervor. Infolgedessen können viele Absolventen der Lehrerkollegs keine Arbeit finden, weil einfach weniger Schulkinder zu unterrichten da sind. „Diese Art von Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ist eine Angelegenheit, um welche die Regierung sich kümmern muss“, fordert Cheng.

Eine Frage des Vergleichs

Trotz all der Aufmerksamkeit, die Taiwans Arbeitslosenquote geschenkt wird, steht Taiwan verglichen mit anderen Ländern noch relativ gut da. Ende Juni dieses Jahres war die Arbeitslosigkeit in Taiwan zwar höher als in Singapur, Hongkong und Südkorea, aber niedriger als in entwickelten Ländern wie den USA und in der EU. Tatsächlich kommt der größte Druck, die Arbeitslosigkeit in Taiwan zu senken, nicht von solchen internationalen Vergleichen, sondern von den Erwartungen der Öffentlichkeit aufgrund Taiwans Erfolgen in der Vergangenheit. Von Anfang der siebziger Jahre bis Ende der neunziger Jahre lag die Arbeitslosenquote unter 3 Prozent, und der Anstieg zu den durchschnittlichen 4,4 Prozent zwischen 2000 und 2008 rief ein Gefühl der Nostalgie für die vergangene Zeit hervor.

„Wir müssen nicht unbedingt zu den Zeiten zurückkehren, als die Arbeitslosigkeit unter 3 Prozent betrug“, findet Cheng und spielt damit auf Taiwans frühere Abhängigkeit von arbeitsintensiver Fabrikation an. „Vielleicht sind diese Zeiten wirklich ein für allemal vorbei. Die Regierung muss trotzdem stets darüber nachdenken, warum es Leute gibt, die keinen Job finden können.“

Die Aufgabe der Regierung, neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist eine echte Herausforderung, besonders angesichts des unsteten Wesens der Erholung von der globalen Finanzkrise, das Befürchtungen vor einem erneuten Abrutschen in eine Rezession weckte. Dafür zu sorgen, dass es ausreichend gute, stabile Arbeitsplätze für Jene gibt, die sie brauchen, ist vor diesem Hintergrund von entscheidender Bedeutung, sowohl für den Lebensstandard der Einzelnen als auch für Taiwans Wirtschaft insgesamt. Wenn man bedenkt, wie angestrengt CLA-Ministerin Wang und Premierminister Wu dieser Tage über dieses Problem nachsinnen, sollte die Öffentlichkeit sich von der Gewissheit beruhigen lassen können, dass die Regierung dabei unbedingt am Ball bleiben wird.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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